Ein innovatives Finanzierungsmodell hat auf den Kanarischen Inseln für Diskussionen gesorgt: das Konzept der „gesellschaftlichen Vorschüsse“. Diese Methode, die bereits in vielen Genossenschaften Anwendung findet, soll Landwirten ein stabiles Einkommen sichern, unabhängig von den Schwankungen des Marktes. Wenn die Preise hoch sind, wird ein Teil der Einnahmen zurückgelegt, um in schlechteren Zeiten als finanzielles Polster zu dienen.
Diese Idee zielt darauf ab, dem Bananensektor, der stark von den volatilen Exportpreisen abhängt, Stabilität und Würde zu verleihen. Doch Kritiker bezeichnen es abwertend als „Almosen“ und fordern, den freien Markt entscheiden zu lassen. Dies zeigt, wie tief neoliberale und reaktionäre Ansichten im primären Sektor verwurzelt sind, selbst unter jenen, die unter der landwirtschaftlichen Unsicherheit leiden.
Der Begriff „Almosen“ ist das Ergebnis jahrelanger Angriffe auf öffentliche Unterstützung, die kollektive Rechte und Werkzeuge als Zeichen von Faulheit oder Schande darstellen. Um zu verstehen, warum dieses Narrativ so erfolgreich war, muss man die politischen Veränderungen betrachten, die das ländliche Leben auf den Kanaren in den letzten Jahrzehnten geprägt haben.
Die Herausforderungen der Landwirtschaft auf den Kanaren
Der Unmut im kanarischen Agrarsektor ist das Resultat von Jahrzehnten politischer Entscheidungen, die den primären Sektor von einem wirtschaftlichen Motor zu einem marginalisierten, abhängigen Bereich degradiert haben. In den 1960er Jahren machte die Landwirtschaft fast ein Drittel der Wirtschaft des Archipels aus, heute sind es kaum mehr als 1 %. Mehr als die Hälfte des fruchtbaren Landes liegt brach, was zur Entvölkerung ganzer Dörfer und zur Zerstörung des gemeinschaftlichen Gefüges geführt hat.
Obwohl die Gemeinsame Agrarpolitik und das POSEI-Programm (Programm für spezifische Optionen aufgrund der Abgelegenheit und Insularität) den völligen Zusammenbruch verhindert haben, haben sie die Abhängigkeit von der Banane verstärkt. Weniger als 10 % der Landwirte betreiben eine diversifizierte Produktion, was die Inseln von Importen abhängig macht und den Agrarsektor den Preisschwankungen auf fernen Märkten aussetzt.
Gleichzeitig hat der Abbau grundlegender Dienstleistungen in ländlichen Gebieten – Schulen, Verkehr, Gesundheitsversorgung – die Überalterung der Bevölkerung begünstigt und die Abwanderung junger Menschen beschleunigt. Es handelt sich nicht nur um ein „Gefühl der Vernachlässigung“, sondern um den Verlust konkreter Rechte, wenn das Leben auf dem Land weniger Chancen und weniger Zugang zu Dienstleistungen bietet als in der Stadt.
Die Zukunft der kanarischen Landwirtschaft gestalten
Angesichts dieser Herausforderungen besteht die Aufgabe darin, nicht nur das Narrativ zu ändern, sondern Alternativen zu schaffen, die dem primären Sektor Würde, Rechte und Souveränität zurückgeben. Europäische Lösungen, die aus einer kontinentalen Perspektive entwickelt wurden, müssen an die Bedürfnisse der Kanaren angepasst werden. Ein selbstbestimmter Plan, der die Bedürfnisse der Bewohner in den Mittelpunkt stellt, ist erforderlich.
Kleine Produzenten sollten im Mittelpunkt stehen, da sie die Landwirtschaft und die Gemeinschaften am Leben erhalten. Der Fokus darf nicht nur auf dem Export liegen. Wenn dieser fortgesetzt wird, müssen Mechanismen eingeführt werden, die gute Arbeitsbedingungen und faire Preise sicherstellen. Parallel dazu sollte die Produktion für den Eigenverbrauch gestärkt werden, um die Ernährungssouveränität zu fördern und eigene Vermarktungskanäle wie kurze Lieferketten und kooperative Supermärkte zu entwickeln.
Der Schutz des Territoriums ist ebenfalls entscheidend für die Ernährungssouveränität. Der Wert von landwirtschaftlichem Boden als Gemeingut muss anerkannt werden, um die Spekulation unter dem Vorwand der touristischen Diversifizierung zu stoppen. Die sogenannte „Gesetz der Grünen Inseln“ hat in Wirklichkeit die Tür zur Touristifizierung landwirtschaftlicher Flächen geöffnet. Zwischen 2015 und 2020 wurden 93 % der Ferienhäuser auf La Palma auf nicht bebaubarem Boden errichtet. Fälle wie Tijarafe, wo La Centinela kürzlich die Vermehrung von Luxusvillen auf Agrarland anprangerte, sind nur die Spitze des Eisbergs.
Ein gerechtes und zukunftsfähiges ländliches Leben fördern
Die Verteidigung der Ernährungssouveränität erfordert auch, dass das Leben auf dem Land nicht weniger Rechte als in der Stadt bedeutet. Dazu gehören Schulen, öffentlicher Nahverkehr, Gesundheitsversorgung und bezahlbarer Wohnraum. Ohne diese Grundlagen wird das tägliche Leben auf dem Land untragbar, und junge Menschen werden weiterhin gezwungen sein, abzuwandern. Die Würde des ländlichen Lebens anzuerkennen bedeutet, dass Souveränität nicht nur produktiv, sondern auch sozial, kulturell und territorial ist.
Zusammengefasst ist das Ziel, ein ländliches Gebiet zu schaffen, das kollektive Rechte statt „Almosen“ verteidigt, in Souveränität investiert und ein Gebiet mit Rechten und Zukunft schafft. Nur so kann das ländliche Leben auf den Kanaren von einem Raum der Frustration zu einer Basis für ein selbstbestimmtes und würdiges Projekt werden.
Am Dienstag, dem 7. Oktober, um 17.30 Uhr findet in der Buchhandlung Ítaka in Santa Cruz de La Palma ein offenes Treffen zur Ernährungssouveränität statt. Fachleute der Agrarökologie und des primären Sektors werden anwesend sein, um Gedanken auszutauschen und gemeinsam den Weg zu einem gerechten und zukunftsfähigen ländlichen Raum auf den Kanaren zu ebnen.





















