Die katholische Kirche hat nach dem Wiederentdecken der Kanarischen Inseln durch den italienischen Seefahrer Lanzarotto Malocello im Jahr 1312 eine prägende Rolle auf dem Archipel eingenommen. Dieses Ereignis leitete eine Phase verstärkter europäischer Kontakte ein und markierte den Beginn von Evangelisierungsprozessen sowie Debatten über die Sklaverei. Die Kirche stand dabei häufig zwischen dem Einsatz für Menschenrechte und der Rechtfertigung der Eroberung.
Schon vor der kastilischen Eroberung verfolgte die Kirche das Ziel, die Kanaren zu evangelisieren. Papst Clemens VI. leitete im Jahr 1344 mit der Bulle Tua devotionis sinceritas die erste institutionelle Mission ein und gründete am 7. November desselben Jahres formal das Bistum der Fortuna-Inseln. Der Sitz dieses Bistums war zwar auf den Kanaren vorgesehen, doch blieben Zuständigkeit und praktische Umsetzung zunächst unklar.
Kirchliche Einflussnahme und erste Missionen auf den Kanaren
Papst Clemens VI. ernannte den Karmeliter Fray Bernardo Font zum ersten Bischof des neuen Bistums. Trotz logistischer Schwierigkeiten und fehlender Strukturen etablierte sich vorerst keine stabile Bischofsresidenz auf dem Archipel. Dennoch zeigte sich die frühe und entschlossene Absicht des Heiligen Stuhls, die Kanaren in die kirchliche Organisation einzubinden und die Christianisierung zu beginnen. Dieser erste Versuch blieb kurzfristig erfolglos, bildete aber die Grundlage für spätere Missionen.
Die Haltung der Kirche zur Sklaverei auf den Kanaren war widersprüchlich. Während viele Eroberer und Händler die Ureinwohner für Zuckerplantagen und den Handel versklavten, verurteilte das Papsttum diese Praxis mehrfach. Bereits 1434 forderte Papst Eugen IV. mit der Bulle Sicut Dudum die sofortige Freilassung der versklavten Kanarier. Diese Bulle gilt als eine der ersten expliziten Verurteilungen der Versklavung nichtchristlicher Bevölkerungen in der Frühen Neuzeit, hatte aber wegen der großen Entfernungen und wirtschaftlichen Interessen der Kolonisatoren nur begrenzte Wirkung.
Evangelisierung und kultureller Wandel auf den Kanarischen Inseln
Franziskaner und Dominikaner gehörten zu den ersten, die Missstände und Sklaverei anprangerten. Sie setzten sich für die Rechte der Ureinwohner ein und strebten deren freie Evangelisierung an. Ihr Engagement führte zu ethischen und theologischen Diskussionen über die Legitimität der Sklaverei. Die kirchliche Verurteilung der Sklaverei war jedoch häufig von der Möglichkeit der Missionierung abhängig: Die Bekehrung galt als schwieriger, wenn die Ureinwohner versklavt waren, da dies als Hindernis für ihr Seelenheil betrachtet wurde. Zugleich wollte die Kirche Aufstände der Indigenen gegen Christen vermeiden.
Die Evangelisierung war eng mit der Eroberung verknüpft und diente der Kirche als Rechtfertigung für die Ausbreitung des Christentums. Nach dem Versuch von Clemens VI. folgten weitere Missionen. Handelsinteressen und der Aufbau von Stützpunkten führten dazu, dass katalanisch-mallorquinische Expeditionen, darunter die Brüder Bethencourt, die ersten Missionare auf die Inseln brachten. Diese frühen Bemühungen blieben meist vereinzelt und hatten nur geringen nachhaltigen Erfolg bei der Bekehrung, schufen aber erste Kontakte. Die Franziskaner gehörten zu den aktivsten Orden, insbesondere auf Fuerteventura und Lanzarote, wo sie versuchten, die Sprachen der Ureinwohner zu lernen und das Evangelium zu verbreiten.
Kirchliche Strukturen und Folgen der Christianisierung auf den Kanaren
Mit der Eroberung der Kanaren durch Jean de Béthencourt wurde der religiöse Aspekt integraler Bestandteil des Projekts. Béthencourt brachte Geistliche mit und ließ die ersten Kirchen errichten, wie San Marcial del Rubicón auf Lanzarote, die erste effektive Bischofssitz auf den Kanaren. Die Geistlichen führten Taufen der indigenen Anführer und ihrer Gefolgsleute durch, oft im Rahmen politischer Vereinbarungen.
Mit dem fortschreitenden Einfluss der Krone von Kastilien wurde die Präsenz religiöser Orden, insbesondere der Franziskaner und Dominikaner, strukturierter. Sie gründeten Klöster, Schulen und Kirchen, die zu Zentren der Evangelisierung und Verbreitung der christlichen Kultur wurden. Die Christianisierung erfolgte häufig durch Massentaufen, teils unter Zwang oder in Situationen, die Zweifel an der bewussten Annahme des Glaubens durch die Ureinwohner aufwarfen. Nach der Eroberung einer Insel wurde die Christianisierung zum vorrangigen Ziel.
Kulturelle und gesellschaftliche Auswirkungen der Kirche auf den Kanarischen Inseln
Die Evangelisierung führte zur Unterdrückung religiöser Praktiken und Überzeugungen der Guanches. Ihre heiligen Stätten wurden zerstört oder christianisiert, ihre Gottheiten durch christliche Figuren ersetzt. Dieser Prozess war zwar nicht immer gewaltsam, bedeutete aber eine kulturelle Überformung. Mit der Eroberung von Gran Canaria entstand 1483 das Bistum Las Palmas de Gran Canaria, das zum endgültigen Bischofssitz für das gesamte Archipel wurde und die kirchliche Organisation festigte.
Die Eroberer selbst wirkten oft als Evangelisierungsagenten, wobei ihre Methoden von Überzeugung bis Zwang reichten. Die Taufe wurde zur Voraussetzung für die Integration in die Kolonialgesellschaft und für den Zugang zu bestimmten Rechten. Die Kirche versuchte einerseits, die schlimmsten Auswüchse der Eroberung zu begrenzen und die Ureinwohner vor Sklaverei zu schützen. Andererseits lieferte sie die ideologische Rechtfertigung für die europäische Expansion und die Unterwerfung nichtchristlicher Völker.
Die Evangelisierung trug zur kulturellen Assimilation und zum Verlust indigener Traditionen bei. Die Kirche bewegte sich stets zwischen ihrem spirituellen Auftrag und den politischen sowie wirtschaftlichen Realitäten der Kolonisierung. Ihr Einfluss hat die Geschichte und Kultur der Kanarischen Inseln nachhaltig geprägt. Die Initiativen von Päpsten wie Clemens VI. nach dem Wiederentdecken durch Lanzarotto Malocello zeigen, dass die Christianisierung integraler Bestandteil der europäischen Expansion war.
von Alfonso Licata
Präsident der Gesellschaft Dante Alighieri – Komitee Kanaren
Präsident des Internationalen Komitees zum VII. Jahrhundert des Wiederentdeckens von Lanzarote und den Kanaren durch Lanzarotto Malocello
Italienischer Konsular-Korrespondent auf Lanzarote